Im Januar 2018 waren wir bei den Ahmadiyya in die Bait-un-Naseer-Moschee in Augsburg eingeladen. Einige Frauen und junge Mädchen empfingen uns in ihrer typischen Kleidung, die aus Kleid und Hose besteht, dem Shalwar Kameez. Bevor wir den Gebetsraum betraten, zogen wir unsere Schuhe aus, so wie es in Moscheen üblich ist. Doch der Boden, der mit einem weichen blauen Teppich bedeckt ist, spendete uns angenehme Wärme. Die blickdichten Fenster sind mit arabischen Kalligraphien beschriftet, alle mit deutscher Übersetzung.
Die Frauen erklärten die Räumlichkeiten der Moschee, die 2017 eröffnet worden war, sie beschrieben die Besonderheiten dieser Richtung des Islam und die Rolle der Frau in ihrer Religionsgemeinschaft. Bei ‚Speis und Trank‘ versammelten wir uns schließlich im Nebenraum und setzten uns mit Themen wie Fasten und Schöpfungsgeschichten in unseren Glaubensrichtungen auseinander.
Im April 2018 lud uns die jüdische Gemeinde zur Schabbat-Feier in der Augsburger Synagoge ein, eine der schönsten Synagogen Europas. Dort wurden wir herzlich aufgenommen. Von unserer Tatjana erfuhren wir Details über die Geschichte des Gebäudes und die verschiedenen Aspekte des Judentums. Wir ließen uns in der großen Synagoge nieder und waren mehr als angetan von dieser unglaublichen Schönheit, die aus Elementen des Jugendstils besteht in Verbindung mit neobyzantinischen und orientalisierenden Elementen. Während des Novemberpogroms 1938 war sie von Nationalsozialisten geschändet und beschädigt worden, aber nicht zerstört, da sich ein Tanklager in der Nähe der Synagoge befand und ein Feuer verheerende Ausmaße angenommen hätte. Interessant zu hören war für uns auch, dass sie im Geiste des Reformjudentums erbaut worden war.
In der kleinen und wesentlich schlichteren Synagoge begingen wir anschließend gemeinsam mit den jüdischen Gemeindemitgliedern den Gottesdienst am Beginn des Schabbats, den Kabbalat Schabbat.
Danach saßen wir noch in kleiner Runde bei traditionellen Speisen zusammen. Zuvor hielt Rabbi Henry Brandt eine kleine Ansprache, in der er vor allem unser Miteinander betonte, und sprach den Kiddusch über den Wein und die Schabbatbrote.
Im Ramadan lud uns an einem Juni-Sommerabend unsere Sunnitin Esma zum Fastenbrechen ein. Der Tisch bog sich unter dem Angebot an Speisen und Getränken. Es gab Linsensuppe, Manti und gefüllte Weinblätter, Icli Köfte und vieles mehr. Esmas Spezialität, eine selbstgemachte Limonade, versüßte das Mahl. Diesen Abend genossen wir besonders, da wir dort vor allem Gelegenheit hatten, uns persönlich auszutauschen und eine recht fröhliche Frauenrunde bildeten.
Im Sommer fand das Fest der Glockenweihe in der alt-katholischen Gemeinde Augsburg statt. Die Apostelin-Junia-Kirche hatte endlich einen Kirchturm erhalten und zwar einen freistehenden, einen Campanile. Dadurch, dass unter anderem auch die Frauen von Religions for Peace eingeladen waren, kamen beim Festgottesdienst christliche Ordensfrauen neben Musliminnen in der Kirche zu sitzen. Welch symbolträchtiger Anblick! Musikalisch begleitet wurde die Messe von dem Inninger Kirchenchor und dem Posaunenchor der evanglischen Philippusgemeinde Westheim.
Bei strahlendem Sonnenschein begaben sich alle auf den Kirchenvorplatz, um dem ersten Klang der Glocken zu lauschen, nachdem sie von Bischof Dr. Matthias Ring einzeln geweiht wurden. Dankbarkeit, Mitgefühl, Friedenund Liebe sind ihre Namen – wichtige Eigenschaften für ein friedliches Miteinander. Als schließlich alle vier Glocken im Quartett läuteten, waren viele Menschen zutiefst bewegt.
Aber auch für das leibliche Wohl war gesorgt. Alles wurde aufgefahren: ein riesengroßes Salatbuffet, ein ebenso großes Kuchenbuffet, Getränke aller Art, und so weiter. Aber dieser wundervolle Tag hatte noch mehr zu bieten: die rockige Volksmusikgruppe ScheinEilig, die historische Tanzgruppe Augustana edle Patrizia, für die Kinder gab es ein Märchen, begleitet von Orgelmusik, und eine Tombola sorgte für viele schöne Gewinne. Die gute Stimmung, durch die Glocken in Schwingung geraten, war deutlich zu spüren, und die unterschiedlichsten Menschen kamen in anregenden Gesprächen in Kontakt.
Die Krönung war unsere Gründungsfeier am 25. Juli 2018 im Oberen Fletz des Augsburger Rathauses. Sie fand im Rahmen des Augsburger Friedensfestes statt. Da es zahlreiche Konkurrenzveranstaltungen gab, wussten wir nicht, wie groß das Interesse sein würde. Doch trotz der Sommerhitze fanden sich über 140 Menschen ein, um mit uns die Gründung mitzufeiern. Thomas Weitzel, Kulturreferent der Stadt Augsburg, Prof. Dr. Franz Brendle, Vorsitzender Religions for Peace Deutschland, und Heribert Hogan Harter, Vertreter des Runden Tischs der Religionen der Stadt Augsburg, hoben in ihren Grußworten die Bedeutung des interreligiösen Dialoges für ein friedliches Miteinander und ein gutes Zusammenleben in einer vielfältigen Stadtgesellschaft hervor. Sie drückten ihre Freunde darüber aus, dass die Friedensstadt Augsburg und darüber hinaus der Bezirk Schwaben nun ebenfalls eine regionale Gruppe der weltweiten Bewegung „Religionen für den Frieden“ haben. Prof. Dr. Elisabeth Naurath begründete die Initiative zur Gründung einer Frauengruppe damit, dass die Sichtweisen von Frauen zu Fragen der Religion, der Theologie und des gelebten Glaubens bislang im interreligiösen Gespräch zu wenig repräsentiert seien.
Stellvertretend für ihre in der Gruppe vertretenen Religionen gaben acht Frauen ein persönliches Statement ab, warum sie in der Gruppe mitarbeiten und welche Wünsche und Träume sie damit für den Frieden der Stadtgesellschaft und der Welt verbinden. Jede Frau hatte etwas anderes zu sagen, was die Zuschauer*innen sichtlich bewegte. Tatjana überraschte uns dann alle mit einem berührend vorgetragenen jüdischen Lied. So wurde die religiös-bunte Vielfalt der Frauen sichtbar, die aus dem Judentum, dem Christentum (römisch-katholisch, evangelisch-lutherisch und alt-katholisch), dem Islam (sunnitisch, alevitisch und Ahmadiyya) und der Bahai-Religion stammen. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von der alevitischen Gruppe „Dostum“ mit Ayse Celebi & Fatigül Kaya-Erdogan.
Nach dem offiziellen Teil des Abends folgte der zwanglose Ausklang. Muslimische und jüdische Frauen hatten ein wunderbares internationales Büffet vorbereitet. Die Gespräche, die sich nun im lockeren Beisammensein ergaben, zeigten uns die große Resonanz, die unsere Feier gefunden hatte. Das hat uns sehr gefreut und ermutigt, unseren persönlichen Weg des friedlichen Miteinanders weiterzugehen. Und sicher gingen viele an diesem Abend mit dem Gefühl nach Hause, dem Frieden ein Stückchen näher gekommen zu sein.
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